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Krimimesse 2007 Special Krimimesse 2007 Special
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Wallander der Eroberer

Skandinavier lehren Amerikanern das Fürchten

Zum sechsten Mal fand vom 24. bis 25. März im dänischen Horsens die Krimimesse statt – in diesem Jahr im alten Staatsgefängnis von Horsens, das noch bis Ende 2006 als Haftanstalt genutzt wurde und nun zum Verkauf steht. Schwerpunkt der Messe 2007 war der skandinavische Krimi selbst. Autoren aus Schweden, Norwegen, Island und natürlich Dänemark gingen – zusammen mit Kritikern und rund 1.850 Besuchern an zwei Tagen – dem Phänomen „Skandinavienkrimi“ nach. Ein Hearing mit Autoren und Kritikern – darunter Arne Dahl, Gretelise Holm, Nils Nordberg und schwedenkrimi.de-Redakteurin Alexandra Hagenguth – leitete am Samstagmorgen die spannende Diskussion ein.


Dass der skandinavische Krimi in Deutschland außerordentlich populär ist, ist auch in Skandinavien selbst hinlänglich bekannt, und hier wie dort steht man dieser Tatsache etwas verwundert und am „Warum“ interessiert gegenüber. Neu hingegen ist, dass die skandinavischen Autoren sich nun auch daran machen, England und sogar die USA zu erobern.

So ist zum Beispiel Henning Mankell inzwischen ins Englische übersetzt, und im April gehen gleich vier schwedische Autoren – Håkan Nesser, Helene Tursten, Inger Frimansson und Kjell Eriksson (Letzterer zurzeit ohne Verlag in Deutschland) – auf Lesereise in die USA und lehren den Amerikanern das Fürchten: „Seitdem Henning Mankell ins Englische übersetzt ist, sind englische und amerikanische Autoren sehr besorgt …“, weiß Norwegens Krimiexperte Nummer 1, Nils Nordberg, zu berichten.

Skandinavienkrimi, quo vadis? – Kontroverse Diskussion

Konsequent also, dass sich die diesjährige Krimimesse im dänischen Horsens Angesichts der Erfolge im Ausland schwerpunktmäßig mit dem Nordischen Kriminalroman beschäftigte. Doch die Gründe für diese Story of Success werden in Skandinavien nicht weniger kontrovers diskutiert, als hierzulande.

Während der dänische Kritiker Niels Lillelund kaum neue Impulse des Krimis nordischer Prägung ausmachen kann, ihn vielmehr immer noch in der – tristen – Gesellschaftskritik marxistisch-leninistischer Prägung verhaftet sieht, geht Nils Nordberg, wenngleich ein wenig provozierend, gar so weit, von drei Subgenres in der Kriminalliteratur zu sprechen: „Es gibt den klassischen Puzzlekrimi, den Crime Noir … und den skandinavischen Krimi!“ Was aber kennzeichnet den skandinavischen Krimi?

Messeimpressionen in Bildern - Hier KlickenFeminisierung: Die Frauenfalle
„Ja“ zu alternativen Wegen, „Nein“ zur Genderschublade

„Der skandinavische Krimi ist eine gute Geschichte, die von Mord und Liebe handelt, und in der man über die Gesellschaft, in der wir leben, informiert wird. Zukünftig wird der skandinavische Krimi noch mehr in Richtung Mainstream gehen. Eine Art Lifestyleroman in kriminellem Milieu mit Frauen als Protagonisten, Geschichten, die davon handeln, wie es ist, eine Frau in einem bestimmten Alter zu sein. Der skandinavische Krimi erfährt eine Feminisierung“, so der dänische Krimiexperte und Kritiker Bo Tao Michaëlis. Auch der schwedische Schriftsteller Arne Dahl macht eine neue Entwicklung aus: „Es gibt in Schweden eine neue Tendenz in Richtung “back to the roots”. Die neuen Krimis sind weniger sozialkritisch, weniger urban und zeigen wieder verstärkt Elemente eines Puzzlekrimis auf.“ Niels Lillelund bringt’s auf den Punkt: „Ich will nicht über zwei Seiten lesen, wie Annika Bengtzon Koteletts in der Pfanne brät“, und suggeriert damit, diese Art des Krimis sei vor allem bei den neuen skandinavischen Autorinnen vorzufinden.

Doch in eine Genderschublade will sich etwa die Dänin Sara Blædel nicht stecken lassen: „Schon beim Schreiben meines zweiten Romans mit Louise Rick habe ich mich entschlossen, einen Krimi zu schreiben und den Fokus auf die Intrige und den Plot zu legen. Das Private tritt gegenüber dem ersten Roman deutlich zurück und spielt nur noch insofern eine Rolle, als die Leute wissen möchten, mit wem sie es zu tun haben. Man braucht Figuren aus Fleisch und Blut, aber das Private darf den Krimiplot nicht überschatten“, so die Autorin im anschließenden Interview mit schwedenkrimi.de.

Auch Gretelise Holm – in Deutschland aktuell mit ihrem dritten Karin-Sommer-Roman „In tiefem Schlaf“ – hält dagegen: „Das ist zu einfach gedacht. Der skandinavische Krimi ist weder nur ein Gesellschaftskrimi noch ein Lifestylekrimi. Die skandinavische Kriminalliteratur ist vielfältiger denn je. Wenn man zum Beispiel eine Autorin wie die Schwedin Karin Alvtegen nimmt, kann man deutlich eine Tendenz zur Psychologisierung sehen. Es ist nicht mehr die Gesellschaft im Allgemeinen, um die es geht, sondern der einzelne Mensch und was ihn in eine solche Situation treibt, stehen im Mittelpunkt.“ Vielleicht weil sie immer außerhalb des Machtzirkels gestanden seien, hätten die skandinavischen Krimiautorinnen einen alternativen Weg entwickelt, der auf die innere Handlung und die soziale Aktion fokussiere, so die Autorin weiter. Tatsächlich fänden sich in den skandinavischen Krimis einer Elsebeth Egholm oder Sara Blædel viele Mädchenträume wieder. Aber: „Heute handeln die Jungmädchenträume nicht mehr davon, adelig zu sein, sondern dazu zugehören, in vollem Umfang teilhaftig am gesellschaftlichen Leben zu sein.“

Die Diskussion ist noch lange nicht zu Ende. Nicht an diesem Krimiwochenende in Horsens, nicht in den die Krimimesse begleitenden Blogs und in den Feuilletons der Zeitungen, wetten, dass …?


Vi ses – 2008 i Horsens!


Interne Links zum Thema:

Autorin: Alexandra Hagenguth - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien, Über Feedback freuen wir uns sehr, einfach hier klicken.
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