Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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gebunden
479 Seiten
Hanser Verlag
Erscheinungsdatum:
Oktober 2002
ISBN: 3404259483
Kurzbeschreibung

An einem bitterkalten Wintertag wird im Kopenhagener Hafenviertel die Leiche eines neunjährigen Jungen gefunden. Der Fall scheint klar, er ist vom Dach eines Lagerhauses gefallen. Nur Smilla Jaspersen, eine Grönländerin, glaubt nicht, daß der Sturz des Jungen Jesaja vom Dach eines Lagerhauses ein Unglück war. Mit einem eisernen Willen ausgestattet, sucht Smilla auf eigene Faust nach dem oder denen, die Interesse daran gehabt haben könnten, den Jungen zu beseitigen. Und das Eis, auf dem sie sich dabei bewegt, wird immer dünner …

Stimmen
»Smilla erzählt. Und wie sie erzählt. Sie erzeugt mit einem Minimum an Worten den Rhythmus, der nicht aufhören soll, in dem sich der Leser wiegt, schaukelt … Die einfache, manchmal brüchige Sprache, die Peter Høeg seiner Heldin zugesteht, ist die Leistung des Romans, die geringe Lautstärke, mit der die Wesentlichkeiten der Erzählung an das Handlungsgerüst montiert werden.« WELTWOCHE

Weitere Informationen (Ext. Link)

Leseprobe

Wir wohnen im Weißen Schnitt.
Auf einem Grundstück, das man der Wohnungsbaugesellschaft geschenkt hat, hat sie ein paar vorfabrizierte Schachteln aus weißem Beton aufeinandergestapelt, für die sie vom Verein zur Verschönerung der Hauptstadt eine Prämie erhalten hat.
Das Ganze, einschließlich Prämie, macht einen billigen und notdürftigen Eindruck; die Mieten allerdings haben nichts Kleinliches, sie sind so hoch, daß hier nur Leute wohnen können wie Juliane, für die der Staat aufkommt, oder wie der Mechaniker, der nehmen mußte, was er kriegen konnte, oder die eher marginalen Existenzen wie zum Beispiel ich.
Die Leute haben offenbar sehr gut begriffen, was Leukotomie ist. So ist der Spitzname für uns, die hier wohnen; das ist zwar verletzend, im großen und ganzen aber korrekt. Es gibt Gründe dafür, hier einzuziehen, und Gründe, hier auch wohnen zu bleiben. Mit der Zeit ist das Wasser für mich wichtig geworden. Der Weiße Schnitt liegt direkt am Kopenhagener Hafen. In diesem Winter konnte ich sehen, wie sich das Eis bildete. Der Frost setzte im November ein. Ich habe Respekt vor dem dänischen Winter. Die Kälte - nicht die meßbare, die auf dem Thermometer, sondern die erlebte - hängt mehr von der Windstärke und vom Feuchtigkeitsgrad der Luft ab als davon, wie kalt es ist. Ich habe in Dänemark mehr gefroren als je in Thule. Sobald die ersten klammen Regenschauer mir und dem November ein nasses Handtuch ins Gesicht peitschen, begegne ich ihnen mit pelzgefütterten Capucines, schwarzen Alpakaleggings, langem Schottenrock, Pullover und einem Cape aus schwarzem Goretex.
Dann fällt die Temperatur allmählich. Irgendwann hat die Meeresoberfläche minus 1,8 Grad Celsius, die ersten Kristalle bilden sich, eine kurzlebige Haut, die der Wind und die Wellen
zu frazil Eis zerschlagen, das zu dem seifigen Mus verknetet wird, das man Breieis, grease ice, nennt; es bildet allmählich freitreibende Platten, pancake ice, das dann an einem Sonntag in einer kalten Mittagsstunde zu einer zusammenhängenden Schicht gefriert.
Es wird kälter, und ich freue mich, denn ich weiß, daß der Frost jetzt zugelegt hat, das Eis bleibt liegen, und die Kristalle haben Brücken gebildet und das Salzwasser in Hohlräumen eingekapselt, die eine Struktur haben wie die Adern eines Baumes, durch die langsam die Flüssigkeit hindurchsickert; daran denkt kaum jemand, der zur Marineinsel Holmen hinüberschaut, es ist aber ein Argument für die Ansicht, daß Eis und Leben auf mehrfache Weise zusammenhängen.
Wenn ich auf die Knippelsbrücke komme, ist das Eis normalerweise das erste, wonach ich Ausschau halte. An diesem Tag im Dezember aber sehe ich etwas anderes. Ich sehe das Licht.

  Peter Høeg bei schwedenkrimi.de
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Es ist gelb, wie das meiste Licht in einer Winterstadt; es hat geschneit, und deshalb hat es, auch wenn es nur ein zartes Licht ist, einen starken Widerschein. Es scheint unten bei einem der Packhäuser, den Speichern, die sie, als sie unsere Wohnblocks bauten, in einem schwachen Moment beschlossen haben stehenzulassen. Auf der Giebelseite, zur Strandgade und nach Christianshavn zu, rotiert das Blaulicht eines Streifenwagens. Ich sehe einen Polizisten. Die provisorische Absperrung aus weiß-roten Plastikbändern. Das, was dort abgesperrt ist, kann ich als kleinen dunklen Schatten auf dem Schnee ausmachen.
Weil ich renne und es erst gut fünf Uhr und der Nachmittagsverkehr noch nicht vorbei ist, schaffe ich es, einige Minuten vor dem Krankenwagen dort zu sein.
Jesaja liegt mit angezogenen Beinen da, das Gesicht im Schnee und die Hände um den Kopf, als wollte er sich gegen den kleinen Scheinwerfer, der ihn beleuchtet, abschirmen, als sei der Schnee ein Fenster, durch das er tief unter der Erde etwas gesehen hat.
Der Polizist müßte mich sicher fragen, wer ich bin, meinen Namen und meine Adresse aufnehmen und überhaupt die Arbeit der Kollegen vorbereiten, die jetzt bald von Haus zu Haus gehen und klingeln müssen. Aber er ist ein junger Mann mit einem kranken Ausdruck in den Augen. Er vermeidet es, Jesaja direkt anzuschauen. Als er sich vergewissert hat, daß ich sein Absperrband nicht übertrete, läßt er mich stehen.
Er hätte ein größeres Stück absperren können. Doch das hätte keinen Unterschied gemacht. Die Packhäuser werden teilweise umgebaut. Menschen und Maschinen haben den Schnee hartgetrampelt wie einen Terrazzoboden.
Selbst im Tod hat Jesaja etwas Abgewandtes, als wollte er von Mitleid nichts wissen.
Hoch oben, außerhalb des Scheinwerferlichts, ahnt man einen Dachfirst. Das Packhaus ist hoch, sicher so hoch wie ein sieben- oder achtstöckiges Wohnhaus. Das angrenzende Haus wird umgebaut. An der Giebelseite, die auf die Strandgade hinausgeht, steht ein Gerüst. Dort gehe ich hin, während sich der Krankenwagen über die Brücke arbeitet und dann zwischen den Gebäuden durchwindet.
Das Gerüst deckt die Giebelseite bis zum Dach hinauf ein. Die untere Leiter ist heruntergeklappt. Die Konstruktion scheint immer zerbrechlicher zu werden, je höher man kommt.
Sie bauen ein neues Dach. Über mir türmen sich die dreieckigen Dachsparren. Sie sind mit einer Persenning zugedeckt, die über die halbe Gebäudelänge reicht. Die andere Hälfte, auf der Hafenseite, ist eine verschneite Fläche. Darauf sind die Spuren von Jesaja.
An der Schneekante hockt ein Mann, der seine Knie umklammert hält und sich hin und her wiegt. Selbst zusammengekauert wirkt der Mechaniker noch groß, und noch in dieser Haltung totaler Resignation wirkt er zurückhaltend.
Es ist so hell. Vor einigen Jahren hat man das Licht bei Siorapaluk gemessen. Von Dezember bis Februar, drei Monate, in denen die Sonne weg ist. Man stellt sich immer eine ewige Nacht vor, aber es sind Mond und Sterne da, und ab und zu das Nordlicht. Und der Schnee. Man registrierte dieselbe Anzahl Lux wie außerhalb von Skanderborg in Jütland. Genau so erinnere ich meine Kindheit. Daß wir immer draußen spielten, und daß es immer hell war. Damals war das Licht eine Selbstverständlichkeit. So viele Dinge sind für ein Kind selbstverständlich. Mit der Zeit fängt man dann an, sich zu wundern. Jedenfalls fällt mir auf, wie hell das Dach vor mir ist. Als sei es die ganze Zeit über der in einer vielleicht zehn Zentimeter dicken Schicht liegende Schnee gewesen, der das Licht dieses Wintertages geschaffen hat, und als glühe es in punktweisem Glitzern wie kleine, graue, leuchtende Perlen immer noch nach. Am Boden schmilzt der Schnee ein bißchen, selbst bei schwerem Frost, wegen der Wärme der Stadt. Hier oben jedoch liegt er locker, so wie er gefallen ist. Nur Jesaja hat ihn betreten.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

Selbst wenn keine Wärme da ist, kein neuer Schnee, kein Wind, selbst dann verändert sich der Schnee. Als würde er atmen, als würde er sich verdichten, sich heben und senken und sich zersetzen.
Jesaja hat Turnschuhe getragen, auch im Winter, und es ist seine Spur, die abgetretene Sohle seiner Basketballstiefel mit der gerade noch sichtbaren Zeichnung konzentrischer Kreise unter der Wölbung der Fußsohle, um die sich der Spieler drehen muß. Er ist dort, wo wir stehen, in den Schnee hinausgetreten. Die Spuren laufen schräg auf die Dachkante zu und führen daran entlang weiter, vielleicht zehn Meter. Dann halten sie an. Um sich dann zur Ecke und zur Giebelseite hin fortzusetzen. Wo sie der Dachkante in einem Abstand von ungefähr einem halben Meter bis an die Ecke zum angrenzenden Packhaus hin folgen. Von dort aus ist er vielleicht drei Meter zur Mitte zurückgelaufen, um Anlauf zu nehmen. Dann führt die Spur direkt zur Kante, wo er gesprungen ist.
Das andere Dach besteht aus glasierten schwarzen Ziegeln, die zur Dachrinne hin in so steilem Winkel abfallen, daß der Schnee nicht liegengeblieben ist. Es gab nichts zum Festhalten. So gesehen hätte er ebensogut direkt in den leeren Raum springen können. Außer Jesajas Spuren gibt es keine anderen. Auf der Schneefläche ist außer ihm niemand gewesen.
"Ich habe ihn gefunden", stellt der Mechaniker fest.
Es wird für mich nie leicht sein, Männer weinen zu sehen. Vielleicht, weil ich weiß, wie fatal das Weinen für ihre Selbstachtung ist. Vielleicht, weil es für sie so ungewohnt ist, daß es sie immer in ihre Kindheit zurückverfrachtet. Der Mechaniker ist in dem Stadium, wo er es aufgegeben hat, sich die Augen zu trocknen, sein Gesicht ist eine Maske aus Schleim.
"Putz dir die Nase", sage ich. "Es kommen Leute."
Die beiden Männer, die aufs Dach kommen, sind über unseren Anblick nicht sonderlich erfreut.
Der eine schleppt die Fotoausrüstung und ist außer Atem. Der andere erinnert ein wenig an einen verwachsenen Nagel. Flach und hart und voll ungeduldiger Gereiztheit.
"Wer sind Sie?"
"Die Nachbarin von oben", sage ich. "Und der Herr ist der Mann von unten."
"Gehen Sie bitte runter."
Dann sieht er die Spuren und ignoriert uns.
Der Fotograf macht die ersten Bilder, mit Blitz und einer großen Polaroidkamera.
"Nur die Spuren des Verstorbenen", sagt der Nagel. Er redet, als fertige er im Kopf bereits seinen Bericht an. "Die Mutter betrunken. Da hat er halt hier oben gespielt."
Dann fällt sein Blick erneut auf uns.
"Gehen Sie jetzt bitte runter."
Zu diesem Zeitpunkt sehe ich nichts klar, es geht alles durcheinander. Das allerdings so sehr, daß ich davon abgeben kann. Ich bleibe also stehen.
"Komische Art zu spielen, nicht wahr?"
Manche Leute meinen vielleicht, ich sei eitel. Das will ich eigentlich nicht abstreiten. Ich kann ja auch Gründe dafür haben. Jedenfalls ist es meine Kleidung, die ihn jetzt zuhören läßt. Der Kaschmir, die Pelzmütze, die Handschuhe. Er hat zwar Lust und auch das Recht, mich hinunterzuschicken. Aber er sieht, daß ich aussehe wie eine Dame. Auf den Dächern von Kopenhagen begegnet man nicht so vielen Damen.
Einen Augenblick lang zögert er also.
"Wieso?"
"Als Sie in dem Alter waren", sage ich, "und Vater und Mutter noch nicht aus dem Kohlenbergwerk zurück waren und Sie allein auf dem Dach der Obdachlosenbaracke gespielt haben, sind Sie da in gerader Linie die Dachkante entlanggelaufen ?"
Daran kaut er ein wenig.
"Ich bin in Jütland aufgewachsen", sagt er dann. Doch sein Blick läßt mich nicht los, während er das sagt.
Dann dreht er sich zu seinem Kollegen um.
"Wir brauchen Lampen hier oben. Und wenn du gleich noch die Dame und den Herrn runterbringen würdest."

Danke an den Lübbe Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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