Seit 1998 ist Christel Hildebrandt (zusammen mit Gabriele Haefs) die Übersetzerin 
    für Håkan Nesser. Inzwischen besteht ein "inniges" Verhältnis 
    zum Autor, der die Übersetzerin mit seinen Geschichten sogar bis in ihre 
    Träume verfolgt
  Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie lange sind Sie schon Übersetzerin 
    für Håkan Nesser? Wie ist es zum ersten Job für Håkan 
    Nesser gekommen?
  
     
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            Christel Hildebrandt Foto: Asmus Henkel | 
           
         
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  Christel Hildebrandt: Meine erste Übersetzung war "Die Frau mit dem 
  Muttermal", die 1998 als Taschenbuch bei btb erschien. Damals war Håkan 
  Nesser in Deutschland noch vollkommen unbekannt. Den Auftrag bekam ich, weil 
  ich vorher bereits für btb aus den skandinavischen Sprachen übersetzt 
  hatte, und zwar in erster Linie Lars Saabye Christensen. Deshalb fragte mich 
  die Lektorin, ob ich diesen Krimi nicht übersetzen wollte, und warum nicht? 
  Aber ich übersetze nicht allein Håkan Nesser, ich teile mir diese 
  Arbeit mit Gabriele Haefs. 
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie gut kennen Sie Håkan Nesser inzwischen persönlich?
  Christel Hildebrandt: Ich habe ihn mehrfach bei Lesungen, Tagungen und auf 
    der Frankfurter Buchmesse getroffen, wir haben einige Abende gemeinsam gestaltet, 
    was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Und natürlich haben wir per 
    email Kontakt, wenn ich ein Buch von ihm übersetze, denn einige Fragen 
    kann nur der Autor selbst beantworten - was er übrigens gern und klaglos 
    tut!
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie wichtig ist der (gute) Kontakt zum Autor während des Übersetzens?
  Christel Hildebrandt: Sicher ist es auch möglich, Fragen mit den Lektoren 
  aus dem Heimatverlag zu klären oder anderen Fachleuten, aber erst während 
  der Arbeit tauchen immer mal wieder Fragen, Interpretationsunsicherheiten oder 
  andere Sprachfallen auf, die am einfachsten und schnellsten mit dem Autor direkt 
  zu klären sind. Ganz extrem war das der Fall bei Mikael Niemi und seinem 
  Buch "Populärmusik aus Vittula", bei dem der Autor mir diverse 
  "Fachbegriffe" aus seiner Heimat erklären musste, damit ich sie 
  so übersetzen konnte, dass sie auch einem deutschen Publikum verständlich 
  sind, dabei aber ihren Ursprung nicht verlieren. 
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Worum geht es beim aktuellen Werk "Die Schatten und der Regen"?
  Christel Hildebrandt: "Die Schatten und der Regen" ist der dritte, 
    unabhängige Band einer Trilogie, deren erste Bände "Kim Novak 
    badete nie im See von Genezareth" und "Und Picadilly Circus liegt 
    nicht in Kumla" sind. Thema ist wieder eine Schuld, die in der Vergangenheit, 
    dieses Mal eine doppelte Schuld, die an dem Jungen Victor, dessen Vater seine 
    Mutter umbrachte, und die Schuld, die ihm zur Last gelegt wird, der Mord an 
    seiner Freundin Sara.
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Was macht für Sie das Besondere dieses 
    Buches aus?
  Christel Hildebrandt: Das sind die unterschiedlichen Erzählperspektiven 
    und der stringente Aufbau des Buches. Håkan Nessers Bücher, die 
    so selbstverständlich und flüssig erzählt wirken, sind ja unglaublich 
    sorgfältig geplant, hier wird nichts dem Zufall überlassen, auch 
    über den einzelnen Roman hinaus findet der Leser/die Leserin immer wieder 
    Verweise auf andere Bücher, so dass seine Romane insgesamt ein ineinander 
    verwobenes Werk ergeben.
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Haben Sie selbst ein Lieblingsbuch von 
    Håkan Nesser?
  Christel Hildebrandt: Ja, das ist zum einen auf jeden Fall "Barins Dreieck", 
    dessen Geschichten mich bis in meine Träume, sprich Albträume hinein 
    verfolgt haben. Hier gefällt mir vor allem, dass nicht alles ausgesprochen 
    wird. Es gibt viele Deutungsmöglichkeiten und zum Schluss bleibt immer 
    die Frage, ob es nun wirklich so war oder nicht? Und dann ist da "Die 
    Fliege und die Ewigkeit", das Buch, das ich momentan übersetze, 
    nicht nur, weil es jetzt auf meinem Schreibtisch liegt, sondern auch weil 
    es sehr subtil philosophische Elemente mit einem Kriminalplot verknüpft.	
Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie gut kennen Sie die Bücher, die Sie übersetzt haben? Behält man den Inhalt oder ist es inzwischen 
    so viel geworden, dass man alsbald den Überblick verliert?
  Christel Hildebrandt: Nein, dazu habe ich die Bücher zu oft gelesen, 
    als dass ich sie vergessen würde. Aber es kommt schon vor, dass ich mir 
    nicht mehr ganz sicher bin, was sich eigentlich in welchem Buch abspielte, 
    und diese Gefahr besteht natürlich besonders bei einem Werk wie dem von 
    Håkan Nesser, in dem immer wieder die gleichen Figuren und das gleiche 
    Milieu auftauchen.
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie sind Sie zum Übersetzen gekommen? 
    Was würden Sie Berufs- oder Studienanfängern mit Wunschberuf Übersetzer 
    raten: Geisteswissenschaftliches Studium oder Übersetzer-Ausbildung (Studium)?
  Christel Hildebrandt: Ich selbst habe nie Skandinavistik studiert, sondern 
    Literaturwissenschaft und Soziologie. Zum Übersetzen bin ich eher zufällig 
    gekommen, wegen einer norwegischen Freundin habe ich ihre Sprache gelernt 
    und mich dann natürlich auch für die Literatur dort interessiert, 
    ja, und dann war es nicht mehr so weit bis zu den ersten zaghaften Versuchen, 
    sie ins Deutsche zu übertragen. Aber bis zur Vollzeitübersetzerin 
    ist es dann natürlich noch ein sehr, sehr langer Weg gewesen. Welche 
    Ausbildung die beste ist um den Wunschberuf literarische Übersetzerin 
    zu erreichen, kann ich nicht sagen. Sehr wichtig finde ich jedoch, sich ein 
    zweites Standbein aufzubauen, also nicht nur das Übersetzen aus einer 
    Sprache anzustreben, sondern immer auch ein Fachgebiet dabei mit abzudecken, 
    sei es Journalistik, Wirtschaft oder anderes. Denn eine Sprache allein führt 
    zu keinem Beruf, und außerdem ist Übersetzen ein sehr einsames 
    Geschäft, dass auch erst auf ganz lange Sicht Profit abwirft. Deshalb 
    ist es aus meiner Sicht immer sinnvoll, z.B. halbtags in einem anderen Beruf 
    zu arbeiten, zum einen der finanziellen Sicherheit wegen, zum anderen um der 
    Kontakte willen. Ich habe beispielsweise lange halbtags als Setzerin in einer 
    Druckerei gearbeitet, bis ich zum einen vom Übersetzen leben konnte, 
    zum anderen zu Hause drei Kinder hatte, so dass nicht mehr die Gefahr der 
    Vereinsamung bestand. 
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Was reizt Sie besonders an der Tätigkeit 
    der Übersetzerin?
  Christel Hildebrandt: Jedes Mal wieder besteht die Herausforderung, den Ton 
    des Textes zu treffen. Es gefällt mir, mit einem vorgegebenen Text zu 
    arbeiten, ihn so zu modellieren, dass sein Klang erhalten bleibt, er gleichzeitig 
    aber von einem Publikum verstanden wird, für den er eigentlich gar nicht 
    geschrieben worden ist.
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie gehen Sie beim Übersetzen vor: Wird erst das Buch in Gänze gelesen, um einen Eindruck zu bekommen? Machen 
    Sie sich dabei schon Notizen? Übersetzen Sie "einfach drauf los"?
  Christel Hildebrandt: Ich lese das Buch vor dem Übersetzen mehrere Male 
    durch. Häufig zum ersten Mal auf Anfrage des Verlags, um überhaupt 
    einzuschätzen, ob das Buch von diesem Verlag eingekauft und übersetzt 
    werden soll, und dann noch einmal, bevor ich mit der Übersetzung beginne. 
    Dabei notiere ich mir alle Stellen, die mir unklar erscheinen, zu denen ich 
    spontan Fragen habe und versuche, diese Fragen bereits vorher zu klären. 
    (Und verblüffenderweise werden es im Laufe der Zeit immer mehr Fragen 
    statt weniger.) Dann übersetze ich, mache die erste Fassung, bei der 
    wieder neue Fragen auftauchen, die ich kläre, um die Ergebnisse einzuarbeiten. 
    Die zweite Fassung lese ich dann nur in Deutsch, um zu überprüfen, 
    ob das Ergebnis auch trägt.
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Haben Sie eine Lieblingssprache beim Übersetzen?
 Christel Hildebrandt: Da ich mit dem Norwegischen angefangen habe und diese 
    Sprache auch am besten von den skandinavischen Sprachen spreche, ist sie natürlich 
    meine Lieblingssprache geblieben, aber bei der Frage, ob ich ein Buch übersetzen 
    möchte, zählt nicht die Sprache, sondern das Buch!
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie halten Sie sich sprachlich fit/auf dem Laufenden was neue Ausdrücke und Entwicklungen der Sprache angeht?
  Christel Hildebrandt: Ich lese Zeitungen aus den skandinavischen Ländern, 
    fahre möglichst oft in die Länder und lese fast nur skandinavische 
    Bücher.
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Was ist das Schwierigste beim Übersetzen?
  Christel Hildebrandt: Als sehr schwierig sehe ich es, wenn ich manchmal erst 
    beim Übersetzen feststelle, dass der Autor/die Autorin selbst ihren Stil 
    nicht durchhält oder einfach "schlecht" schreibt, dann nicht 
    automatisch den vermeintlich schlechten Stil zu verbessern, sondern sich wirklich 
    ans Original zu halten.
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Haben Sie einen Lieblingsautor zum Übersetzen?
  Christel Hildebrandt: Sogar zwei, und zwar sind das Håkan Nesser und 
    Lars Saabye Christensen. Was sicher daran liegt, dass ich von beiden schon 
    so viele Bücher übersetzt habe und mir deshalb ihr Stil so vertraut 
    ist.
  
Literaturportal schwedenkrimi.de: Welchen Autor oder welches Werk würden 
    Sie gerne mal übersetzen?
  Christel Hildebrandt: Da wäre einmal der Norweger Kjell Askildsen, dessen 
    spröder Stil mehr sehr gut gefällt. Zum anderen der Färöer 
    William Heinesen (der auf Dänisch geschrieben hat), der ein wunderbar 
    poetisches Werk hinterlassen hat, von dem bisher kaum etwas ins Deutsche übersetzt 
    wurde.
  
Wir danken Christel Hildebrandt für ein spannendes und interessantes Gespräch!