Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Im Jahr der Schlange
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Broschiert
281 Seiten
Btb Bei Goldmann
Erscheinungsdatum:
November 1996
ISBN: 344272077X

Kurzbeschreibung

In der mittelnorwegischen Kleinstadt Hamar gehen seltsame Dinge vor sich: Im See sterben die Fische, und in der Stadt werden Menschen umgebracht. Der Legende zufolge hat der Knecht des Bischofs von Hamar einst eine bedrohliche Seeschlange erstochen. Das Gift tropfte ihr aus den Augen und treibt noch immer im See und kann die Menschen aufs neue ins Verderben stürzen. Soweit die Sage. Dass den Opfern der rätselhaften Mordfälle ins Auge gestochen wurde, fällt der ermittelnden Polizei zunächst nicht weiter auf. Doch schon bald ist klar, dass es einen in der Stadt gibt, der einen neuen Bischofsknecht für notwendig hält ...

Weitere Informationen (Ext. Link)

Texte:
Peter Maronde aus Syke, das Literaturportal schwedenkrimi.de sagt vielen Dank für die Bereitstellung.

Leseprobe

1

Sie fressen meine Wälder!
Vier Bagger, nein, fünf, sechs reißen ihre Rachen auf, kauen Gras, sabbern Erde; und Büsche und Blumen hängen ihnen dabei im Mundwinkel. Die Bäume in Hamars Strandgatepark fallen, einer nach dem anderen, unter dem wilden Chor der Sägenstimmen die majestätischen Ahornbäume, die Linden, die Birken Schwanken und legen sich schräg, zögernd, als wollten sie in die Knie gehen und um eine letzte Gnadenfrist bitten. Aber die Feuerwehr ist schon zur Stelle, mit Leitern und Stricken, die wie Galgenschlingen von den obersten Ästen herabhängen, ehe sie angezogen werden und der Henker mit der Säge sein Werk vollendet. Das Gebrüll erstickt jedes Flehen, die Stahlzähne zerreißen die letzten Verbindungsstücke und Fasern, und die alten Bäume sinken mit tiefem Stöhnen zu Boden, als ob Schande und Erniedrigung dieses destruktiven Tableaus schwerer zu ertragen sind als die eigentliche Zerstörung des ältesten Lebens in der Stadt.
Jetzt, wo ich das aufschrejbe ist es schon Viertel nach fünf, noch steht die Sonne hoch über Tingnes auf Nes, und der Schatten meines Bleistiftes bildet mit der horizontalen Ebene des weißen Papiers einen Winkel von ungefähr vierunddreißig Grad. Ich habe der Zerstörung vor einigen Stunden beigewohnt, aber es macht mir keinerlei Schwierigkeiten, mir das
Ganze wieder ins Gedächtnis zu rufen, ebenso intensiv, ebenso entsetzlich wie in Wirklichkeit. Denn ich lebe nun einmal in allen Zeiten zugleich. Und sollte ich bei meiner ewigen Suche nach dem richtigen Wort in meiner Beschreibung steckenbleiben, dann leihe ich mir eins aus der Zeitung, aus einem Buch oder von einem Dichter.
Von meinem Aussichtspunkt hier sieht es entsetzlich aus. In meinen Augen ist das Fällen der Bäume im Strandgatepark, die der neuen Straße weichen müssen, ein Massaker. Die Baumstämme liegen dort nebeneinander, unbeweglich, wie Kadaver. Strandgateparks uralte Einwohner liegen da in Reih und Glied mit leuchtend weißen Wundflächen, die pure Leichenschau. Und die Kirchturmglocken läuten!

  Knut Faldbakken bei schwedenkrimi.de
Buchvorstellungen
Rezensionen
Leseprobe

Und dahinter tost das Feuer des Reisighaufens so wütend wie ein Leuchtfeuer. Ein Lindwurmfeuer. Der Rauch legt sich dick und stinkend über die ganze Umgebung, über den Park und die umliegenden Straßen. In der Strandgate sind zwei Autos zusammengestoßen. Ein Ereignis. Ein winzig kleines Unglück: Glasscherben, eingedrücktes Blech, Lackfetzen, die glitzernd auf den Asphalt rieseln, eine Autofahrerin, die mit erregten, unnatürlichen Gesten aussteigt. Sie trägt rot. Die Leute auf dem Bürgersteig bleiben stehen und tauschen furchtsame, aufgeregte Blicke, erschrocken und zugleich ein wenig erregt von der Ahnung, daß hier in Hamar plötzlich vielleicht noch etwas Schlimmeres passieren könnte. Denn darauf warten sie doch, auf ein wirkliches Ereignis, auf etwas Entsetzliches, eine kleine Katastrophe, die sie zumindest vorübergehend aus dem Schlaf rüttelt, die sie aus ihrer leeren Alltagsverwirrung herauslockt, ihre Behaglichkeit mit Leben erfüllt.
Es ist jetzt zwanzig nach sechs, und die Sonne zieht über dem violetten Hügelkamm eine steilere Bahn. Der Schatten des Bleistiftes bildet mit der horizontalen Schreibunterlage einen Winkel von siebenundzwanzig Grad. Aber ich fürchte den Abend nicht. Ich habe mich im Dunkeln immer schon am wohlsten gefühlt, nachts fühle ich mich sicher, fühle mich weniger gefährdet, wenn sie schlafen und ich sie nicht sehen kann. Schließlich kommen in ihren Gesichtern Gefühle zum Ausdruck, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Die Menschen sind so, wie sie aussehen, auch wenn sie ihr Leben mit Mimik und Verkleidungen tarnen. Alle verraten sich. Ein Gesicht, das wir in einem unaufmerksamen Moment einfangen, zeigt alles. In der Menschenmenge sehe ich nur Angst und Sehnsucht, die bittere Not der Einsamkeit, die Deformierung durch den Wunsch nach Liebe, die Wut des Dürstens nach Gerechtigkeit, alle Gesichter sind ein Geflimmer von unzensierten Ausdrücken. Ein Chaos! Und ich muß meinen Blick eine Weile im frühlingsweißen Himmel zur Ruhe kommen lassen, den ziehenden Wolken folgen, während ich meine Tränen wegzwinkere. Jetzt kann ich zum Beispiel wieder beobachten, wie sich vor meinen Augen, um einen banalen Verkehrsstau unten in der Strandgate herum, ein Gefühlschaos manifestiert. Eine minimale Kollision, die aber doch etwas anderes und Schlimmeres signalisiert und die Aufmerksamkeit der Leute erregt. Ein Streifenwagen ist bereits zur Stelle, rücksichtslos auf dem Bürgersteig platziert, wo er einen abweichenden Winkel zur normalen Verkehrsrichtung bildet. Noch mehr Zuschauer. Noch mehr Unruhe im Bild: Erklärungen. Gestikulieren. Ob es vielleicht Verletzte gibt? Die Frau in Rot in der Hauptrolle. Ich erkenne sie. Ich erkenne die meisten hier in der Stadt. Die Neugierigen, die dazuströmen und sich immer dichter aneinanderdrängen, mit Gesichtern voller gespannter Erwartung einander ansehen, grüßen, in plötzliches Gelächter ausbrechen, als fungiere gerade dieser Verkehrsunfall als Auslöser eines positiven Gemeinschaftserlebnisses Das Lokalfernsehen ist auch schon da. Die Kamera läuft, und die Umstehenden verwandeln sich in eine Schar von aufgeregten, unnatürlichen Schauspielern, denen es vergönnt ist, für einige Sekunden in ihrem eigenen Kleinstadtleben die Hauptrolle zu spielen.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

Mein Platz aber ist ein Stück entfernt. Hier stehe ich und betrachte, ohne daß meine Anwesenheit irgend jemanden störte. Das hier ist sogar einer meiner Lieblingsplätze, beim Imbiß in der Bekkegate gleich unterhalb der Kreuzung vor der Fußgängerzone. Hier kann ich ganz einfach dastehen und Würstchen essen - ich liebe Würstchen - und gleichzeitig die Ereignisse in drei zentralen Straßen und dem Straßencafe im Auge behalten. Von hier aus blicke ich über die Köpfe der Leute hinweg, die sich in der Strandgate zusammenscharen. Ich versuche, die unheilverheißende Kollision und die Dame in Rot zu vergessen, die ich wiedererkenne. Alles passiert zu schnell, und das beunruhigt mich. Die Bagger verschlingen Hamars Erde, fressen sich immer weiter auf den baufälligen Pavillon zu. Ich sehe, daß die Arbeiter sich über einen weiteren Ahornbaum im Park hermachen, einen der letzten. Das Kreischen der Säge tut meinen Ohren weh. Ich habe das Gefühl, daß das Sägeblatt mein eigenes Fleisch zerfetzt. Die Baumkrone schwankt. Ein Bagger nähert sich jetzt dem morschen Fundament des Pavillons, um ihn einzureißen, wie brutal. Wie brutal! Sie haben keinerlei Pietät! Sie haben keine Ahnung, was sich in Hamars uraltem Boden möglicherweise verbirgt. Die Bretter knacken. Meine Beine zittern, und ich muß mich am schmalen, gefleckten Sims der Imbißbude festklammern, während ich wie besessen kaue und kaue und schlucke, um den ärgsten Schmerz zu betäuben. Würstchen mit Kartoffelfladen, Brot und Zwiebeln. Die Spezialität des Hauses. Mein absolutes Lieblingsessen. Ich lasse meinen Blick in den Wolken zur Ruhe kommen. Ich will erst ruhiger werden, ehe ich neue Würstchen kaufe. Das Sozialamt zahlt. Ich kann so viele kaufen, wie ich will. Es hat eben auch Vorteile, als "Freigänger" zu gelten, als normaler Patient der Psychiatrie, der keine Gefahr bedeutet.
Die Blumen blühen, und der Qualm des Reisigfeuers brennt mir noch hier oben in den Augen. Meine Tränen fließen, und noch immer läuten die Kirchenglocken wie besessen. Denkt denn keiner von denen, die sich da unten versammelt haben, an das Schlangenfeuer, das damals Tag und Nacht brannte, nachdem der tapfere Knecht des Bischofs die Seeschlange durch einen Pfeilschuß ins Auge getötet hatte und die geschäftigen Einwohner des Handeilplatzes einen Scheiterhaufen auftürmten, um den verfaulenden Schlangenkadaver zu verbrennen? Damals hing der stinkende Rauch des Feuers noch wochenlang über der Stadt. Das ist in der Chronik zu lesen. Dort sind auch die anderen Vorzeichen erwähnt: der Stier, der von Gillundstrand aus über den See kommt, das Glockenläuten Tag und Nacht. Eine Warnung vor kommendem Unheil.
Jetzt kommt wieder Bewegung in die Menschenmenge. Der Verkehrsunfall ist nicht mehr von Interesse. Das eine Auto ist weggefahren. Das andere hängt am Kran des Abschleppwagens. Die Polizisten sitzen in ihrem Auto und notieren. Und der Strom der Menschen geht an ihnen vorbei in Richtung der Bagger, von denen einer gerade mit dem Abriß des Musikpavillons begonnen hat. Der Kranarm war in heftiger Bewegung. Anfangs ging es schnell, dann wurde die Arbeit plötzlich unterbrochen, und nun versammeln sich da unten die Menschen. Alle wollen plötzlich dorthin, wie getrieben vom selben Instinkt, dem gemeinsamen Wunsch nach einem Ereignis, einem echten Erlebnis, etwas Unangenehmem, einer Erinnerung. Und mich packt die Angst, denn auch ich spüre diese Erregung, diese Erwartung des Entsetzlichen. Und nun geht es auch bei mir los, ich weiß, daß es nicht gut für mich ist, daß ich mich heraushalten sollte, aber es hat angefangen, und schon werde ich mit den anderen dorthin gezogen. Ich weiß mehr als sie. Ich bin zu allen Tageszeiten unterwegs und sehe Dinge, die sie nicht sehen. Ich weiß, was dieser Park verbirgt, und ich zittere vor Angst vor dem, was zu Tage kommen kann, wenn Hamars alte Erde umgegraben wird, diese Erde, die durch unzählige tote Körper entstanden ist …

Danke an den btb-Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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