Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Interview mit der Autorin Helene Tursten

Helene Tursten und Ihre BücherWer ist Irene Huss ?

Drei Krimis der schwedischen Schriftstellerin Helene Tursten liegen bisher auf deutsch vor. Im Mittelpunkt stehen dabei jeweils die Kriminalinspektorin Irene Huss samt ihres Mannes und den Zwillingstöchtern.

Frank Keil traf sich mit Helene Tursten in ihrer Heimatstadt Göteborg; sehr hübsch in einem Restaurant am Hafen, mit Blick über den Fluss, der die Stadt teilt.
Ehrlich gesagt weiß ich über Ihre Heldin gar nicht viel. Man erfährt fast nichts über ihre Vergangenheit ...

Das stimmt. Man lernt einmal kurz ihre Mutter kennen. Und es wird schon klar, dass sie nicht gerade aus einer reichen Familie stammt. Sie kommt aus Göteborg und ihre Eltern waren eben nicht wohlhabend.
Darüber wird mehr in meinem neuen Buch stehen, das dieser Tage erscheint. Irene ist intelligent, aber sie ist keine Intellektuelle. Sie arbeitet mehr intuitiv; sie analysiert nicht. Sie merkt mehr, wenn sich etwas anbahnt oder etwas nicht stimmt. Man sieht in meinen Bücher eigentlich alles durch Irenes Augen. Sie weiß nicht so viel über die Dinge, sie taucht eher darin ein. Und der Leser bastelt sich langsam alles zusammen. Würde ich alles so schreiben, wie ich es sehe, dann wäre ja alles klar.
Dann würden es Vorträge werden, Belehrungen vielleicht. Und das ist nicht interessant...

Bei manchen Ihrer Figuren weiß ich nie, ob Sie die nun mögen oder nicht ...

Es ist nicht wichtig, was ich denke oder empfinde. Ich möchte einen Menschen vorstellen. Und es ist dann die Aufgabe der Leser zu entscheiden: Mag ich jemanden - mag ich ihn nicht; verstehe ich ihn vielleicht, so wie er ist.
So arbeite ich: Ich sage nicht: Du mußt den mögen und den musst du ablehnen. Ich möchte den Leuten einen Spiegel vorhalten. Sie können hinein schauen und selbst entscheiden.

Was ist etwa mit Jonny Blom?

Er hat einige Probleme, wie Ihnen sicherlich aufgefallen ist. Er trinkt zu viel.

Er ist einerseits ein unangenehmer Kerl, dann wieder ein hilfloses Kind ...

Leute sind so. Sie sind nicht das eine oder das andere. Wenn man einen Menschen in ganzer Größe darstellen will, muss man seine verschiedenen Seiten allesamt zeigen.

Und die Pathologin Yvonne Stridner?

Sie beeindruckt einfach. Und wenn man zwischen den Zeilen liest, dann versteht man wohl sehr gut, dass sie hart arbeiten musste, um ihre Position zu erreichen. Sie verrät nicht viel über sich. Sie ist immer der Chef. Sie weiß immer, was anliegt und was getan werden muss. Man muss sie einfach respektieren, aber sie ist nicht unbedingt eine nette Person.

Es wimmelt überhaupt in Ihren Büchern an Konflikten zwischen Frauen und Männern. Ist das der Motor, der die Handlung antreiben soll?

Nein! Es ist ein Teil des Ganzen. Es ist stets ein Problem, wenn Frauen Berufe erobern, die ihnen bisher verschlossen waren. Die Polizei in Schweden ist noch immer sehr macho-mäßig. Es gibt sexuelle Diskriminierungen, aber niemand möchte darüber reden.
Als ich mein erstes Buch zwischen 1996 und 1997 schrieb, wußte ich über diese Probleme Bescheid, denn Freunde von mir sind Polizisten. Mein Buch erschien im März 1998 und im Herbst gab es einen riesigen Skandal, wo eine Polizistin von ihren Kollegen sexuell belästigt worden war. Das war das erste Mal, dass dieses Thema in den Medien war! Mittlerweile hat sich die Polizeiführung entschlossen, das Thema aufzugreifen. 45% der Polizisten sind heute Frauen. Da müssen sie auch etwas tun.

Gestern kreuzten zwei Polizisten meinen Weg: Was für Kerle!
Dazu dieser Cowboy-Gang, breite Schultern und dieser Schriftzug POLIS in weißen Blockbuchstaben auf dem Rücken. In Deutschland sehen Polizisten meist aus wie Förster ...


  Helene Tursten bei schwedenkrimi.de
Biografie
Autoreninterview 2008
Autoreninterview 2003
Buchvorstellungen
Rezensionen
Leseprobe
Bei einer Lesung
Ja, schwedische Polizisten wirken sehr macho!
Irene hat den Vorteil, dass sie körperlich sehr kräftig ist. Sie hat Power. Sie hat einen hohen Jiu Jitsu Gürtel. Das ist ein großes Plus.

Gibt es etwas, was Sie an Irene nicht mögen?


Sie ist sehr menschlich, sie lügt manchmal, sie geht ihren eigenen Weg. Manchmal hat sie enorme Vorurteile. Und dann muss sie diese anhand des Falles, den sie zu klären hat, abarbeiten.

Sind Irene und ihr Mann Krister das glückliche Paar?

Durchaus! Aber --- da braut sich etwas zusammen. Krister arbeitet im ersten Buch nur Teilzeit, kümmert sich um die Kinder, damit Irene arbeiten kann. Mittlerweile arbeitet er seit fünf Jahren wieder voll und das oft am Abend und am Wochenende.
So sehen sich die beiden nicht allzu oft. In meinem letzten Buch sind die Zwillinge achtzehn und viel unterwegs. Es wird ein wenig leer im Haus.

Ich habe mich immer gewundert, dass es so harmonisch zwischen den beiden verläuft ...

Sie treffen sich nicht so oft und streiten daher zu selten. Sie piksen und sticheln, aber das ist nicht das Gleiche. Irene ergeht es wie vielen Menschen, die sehr hart arbeiten: Sie haben nicht die Zeit um nachzudenken. Irene merkt langsam, dass sie doch einiges verpasst hat in den letzten Jahren. Für vieles ist es zu spät. Man wird sehen ...

Es gibt regelmäßig Einschübe, die mit der reinen Krimihandlung wenig zu tun haben. Etwa als eine der Töchter Irenes Kontakt zu Skinheads bekommt und in diese Szene eintaucht ...

Ich wollte darüber einfach schreiben. Vor drei, vier Jahren sah ich es als ein wachsendes Problem an, dass viele schwedische Teenager einen Faible für diese White Power Music hatten und sich Skinheads näherten. Schweden war damals weltweit der größte Produzent dieser Musik. Wir exportierten es überall hin. Unsere Politiker und überhaupt die Erwachsenen winkten ab: "Ach, es ist nur eine Phase. Das geht wieder vorbei." Aber das passierte nicht. Es ist immer noch ein Problem; nicht mehr so gravierend wie vor ein paar Jahren, aber es reicht. Es gibt heute einen harten Kern von Neonazis und sie haben schlimme Gewaltverbrechen verübt.
Das hat vielen die Augen geöffnet. Ich wollte zeigen: Wenn man mit 13 mit Neonazis sympathisiert, ist es noch nicht so schlimm; aber wenn nichts passiert und die Leute dann 20 sind, haben sie eine kriminelle Karriere hinter sich und es wird für sie immer schwieriger, sich davon wieder zu lösen. Man ist dann ganz und gar ein Neonazi. Man hat keine anderen Freunde mehr, niemanden.

Eine Familie haben: ist das ein Grundthema Ihrer Bücher?

Nein.
Wenn ich selbst meine vier Bücher im Nachhinein betrachte, dann schildere ich ganz normale Menschen mit all ihren Seiten. Sie können viel Geld haben, einen hohen sozialen Status; sie können Bischöfe sein und Priester - wie in meinem neuen Buch - aber wenn man sie auszieht, sind es einfach Menschen. Und hinter der Fassade lauert das nackte Elend. Man denkt, es sind nette Leute, denn sie können etwas, sie sind ausgebildet und klug, aber im nächsten Moment zeigen sie dir, wie sie sich wünschen, dass sie sind. Es ist unsere Aufgabe dahinter zu schauen. Zu graben. Und es gibt Überraschungen ...

Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu begreifen, dass Irene und ich nicht dasselbe sind. Ihr Mann ist nicht mein Mann, ihre Kinder sind nicht meine Kinder. Sie soll anders sein, denn ich will auch ihre unangenehmen Seiten zeigen. Wenn Irene Ich wäre, sie wäre einfach brillant. Sie würde alles hin bekommen, sie wäre einfach fehlerlos.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)
Ist sie typisch schwedisch?

Nein.

Nein?

Nein. Doch. Sie ist schwedisch. Aber nicht typisch. Sie ist eine Feministin ohne es zu wissen. Sie lebt so, aber sie macht sich darüber keine weiteren Gedanken. Sie ist in keiner Richtung militant oder aufrührerisch. Es war nicht sehr schwierig für sie Respekt von den Männern zu bekommen, denn sie ist ein Kraftpaket. Es fiel ihr nicht schwer, ihren Platz einzunehmen. Aber Birgitta - ihre Kollegin - die erst mal blond und niedlich wirkt - für sie ist es eine Ochsentour.

Und dann wird in Ihren Romanen immer gut gegessen!

Alle fragen meinen Mann immer:
Na, was kochst du Leckeres zum Wochenende? Dabei kann er nicht mal ein Ei kochen. Er ist nicht an Kochen interessiert, während ich das bin. Ich koche.

Und der Hund?

Ich liebe Hunde. Sammy ist mein Hund. Er ist die einzige Person, die wirklich existiert. Wenn ich am Schreibtisch sitze, liegt er neben mir zu Füßen. Er hasst es, wenn ich arbeite; wenn der Computer angeschaltet ist. Aber wenn wir spazieren gehen und ich im Kopf mein Buch weiter schreibe, dann tollt er um mich herum. Er ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Er ist immer bei mir. Ich habe zwischendurch daran gedacht, ihn aus der Geschichte heraus zu nehmen. Aber nein - er kann in der Familie bleiben. Wenn man über so grauenhafte Dinge schreibt wie über Serienmorde und Nekrophilie, dann braucht man etwas Weiches, Lebendiges, Warmherziges als Puffer.

Das Gespräch führte Frank Keil, vielen Dank für die Erlaubnis das Interview hier beim Literaturportal Schwedenkrimi.de zu veröffentlichen.
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